Mia in den Medien

http://www.noz.de/lokales/wallenhorst/artikel/575565/wallenhorsterin-veroffentlicht-buch-uber-autismus-ihrer-tochter#gallery&0&0&575565

 

Neulich war ein großer Artikel über Mia in der örtlichen Tageszeitung- der NOZ. (siehe link oder Blog vorher)


Nein - ich bin nicht mediengeil, wie es der ein oder anderen Kritiker vielleicht meinen könnte....

 

Es ist wieder ein Versuch, den Mitbürgern einen Einblick in die Welt der Autisten und Ihrer Familien zu geben.

Es ist so oft die Unwissenheit der Umwelt, die junge Autisten, aber auch die Eltern dieser besonderen Kinder verletzt. Aber was können wir Betroffene dagegen machen? Wie können wir uns wehren gegen Anfeindungen, niederschmetternde Bewertungen unserer Erziehung, falsche Interpretation des Verhaltens unserer kleinen und auch großen Kinder??? Immer wieder höhren wir den Rat unserer Freunde: "Mach dir nichts draus!" oder "Lass sie reden" und "Hör doch einfach weg"...

 

NEIN - ich will nicht weghören und JA- es macht mir trotzdem etwas aus!

 

Wenn wir Betroffenen ständig weghören und nicht darauf reagieren, wenn wir unsere Mitmenschen nicht für das Autismus-Spektrum-Störungsbild sensibilisieren und das Umfeld informieren, werden Eltern weiter missverstanden und beschimpft, werden betroffene Kinder und autistische Erwachsene gemobbt und ausgeschlossen und schlimmstenfalls ihre Gefühle und ihre Schwierigkeiten missachtet....

 

Ich weiß, nicht alle Menschen sind so kommunikativ wie ich und viele möchten auch nichts aus ihrem Leben Preis geben. Das respektiere ich. Ich respektiere auch Schüchternheit und Zurückhaltung und deshalb stehe ich auf und kämpfe...für unsere Mia- für uns als Familie und für alle Betroffenen, die aus verschiedenen Gründen nicht selber aufstehen und aktiv für die Verbreitung von Informationen über Autismus einstehen können.

 

Diese Menschen sind Menschen wie Du und ich und trotzdem sind sie anders..... Autisten sind ganz besondere Persönlichkeiten. Sie sind in vielerlei Hinsicht sensibler als wir Neurotypischen.  Sie spüren Dinge, die wir nicht wahrnehmen, sie sind ehrlicher als wir es sein können, sie sind oft sehr zuverlässig und geradlinig - sie sind authentisch.... -alles Tugenden, die wir uns an Menschen wünschen.

 

Da wir aber genau so nicht sind, erscheint uns das autistische Denken und Verhalten fremd und verwirrt viele. Ich möchte alle aufrufen, hinter diese Behinderung zu schauen und die Chancen für unsere Gesellschaft darin zu sehen.

 

Ja ich nenne es tatsächlich Behinderung, obwohl viele Eltern, es lieber sehen und es lieber benennen als "Besonderheit". Da die Menschheit aber die Mehrheit der Gesellschaft als NORMAL ansieht, behindert diese "Besonderheit ihrer Wahrnemung und ihres Seins" Autisten an diesem "normalen" Leben teilzuhaben. Meine Tochter spricht fast gar nicht. Und natürlich ist es eine Behinderung - genau so, wie meine Weitsichtigkeit mich ebenfalls behindert NORMAL zu schauen. Ich jedoch kann mir einfach eine ensprechende Brille aufsetzen - wie schön das sie bereits erfunden wurde, denn sonst könnte ich auch nicht am normalen Leben teilhaben, so wie ich es möchte.... Für Autisten gibt es aber keine Brille - Autismus ist nicht heilbar. Autismus ist so vielseitig, so dass man keine Schublade öffnen kann, die zu allen Autisten passen würde. Jeder Autist braucht seine individuelle Anerkennung und Unterstützung. Das aber kann nur geschehen, wenn die Bevölkerung mehr über das Autismus-Spektrum Bescheid weiß.....

 

Also, ich bin bereit, alles was ich weiß und was ich nicht weiß in die Welt hinaus zu tragen...... Wer macht mit?  Wer unterstützt diesen Gedanken? Wer macht mit mir und anderen gemeinsam die PR-Arbeit für Autismus (PR= Public relation = Öffentlichkeitsarbeit)? Warum gibt es Werbefilme zum Thema Down-Syndrom, Darmkrebsvorsorge, vor vielen Jahren für Aids, oder jetzt auch für andere Dinge, die alle Menschen betreffen sollten?????

 

Und wir Eltern? Ich wünsche mir, dass andere Menschen mich / uns / unsere Tochter  verstehen....

 

Ich wünsche mir, dass andere es verstehen, dass ich bei Kindergarten und Schule nicht mehr in erster Front dabei bin, wenn es um Kuchenbacken, Kantinenbetreuung, Begleitung bei Ausflügen und Salate machen für Grillfeste dabei bin. Wenn ich es kann, dann helfe ich gerne, wenn ich meine Hilfe aber nicht anbiete, dann liegt es einfach daran, dass ich gerade andere Sorgen und genug Stress um die Ohren habe....

 

Ich wünsche mir, dass Erzieher und Lehrer meine unermütliche Unterstützung, dass mein Kind Fortschritte macht, anerkennt und erst recht in den Phasen, wo meine Kraft nachlässt und ich für einige Tage mal nicht voll dabei bin.

 

Ich wünsche mir, dass andere Eltern uns auch mit unser besonderen Tochter einladen..... Kaum Einladungen erfolgen und sie erkennen nicht, wie einsam man sich da manchmal fühlt...

Sicher- ich habe öfter mal kurzfristig einen Termin absagen müssen, weil es mit Mia an dem Tag einfach nicht ging und ich sie noch mehr überfordert hätte.... aber muss man deshalb gleich ganz aufgeben?

 

Ich wünsche mir spontane Telefonanrufe mit "Hey- habt ihr Lust und Zeit- wir kommen mal kurz rüber? Passt es Euch? Wie wär's wenn wir spontan grillen- wir bringen den Salat mit!" Denn ich freue mich riesig darüber kleine breaks im Alltag zu haben, die mich einfach mal für einen kurzen Moment nicht nachdenken lassen.

 

Ich wünsche mir, dass auch so mancher Erwachsener, der mit dem Leben und den Menschen nicht zurecht kommt, vielleicht es in Erwägung zieht, dass er autistische Züge hat und sich selber die Chance gibt, durch eine evtl. Diagnose endlich eine Erklärung zu finden und lernt, sich selber so zu akzeptieren, und das deshalb, weil er plötzlich erfahren hat, das Autismus nicht nur in Form von "Rain Man" in Erscheinung tritt.

 

Ich habe so jemanden kennengelernt, der schon fast mit dem unerträglichen Leben abschließen wollte, als er erfuhr, dass es einen Grund gibt, warum er andere Menschen einfach nicht versteht und er so ganz anders ist. Er erzählte, dass die Diagose mit 42 eine Erlösung für ihn war. Ewig war er bemüht sich anzupassen, was unendliche Energie gekostet hat, man nannte es Depression und Angszustände, dass es ihn fast verrückt machte sich unter vielen Menschen zurecht zu finden. Als er lernte, dass sein Verhalten auf eine Autismus-Spektrum-Störung zurückzuführen war, konnte er sich selber wieder mögen und ging das Leben viel souveräner an. Er versteckte sich nicht hinter seiner Behinderung - im Gegenteil - durch Verhaltenstherapie lernte er damit umzugehen oder solchen Situationen aus dem Weg zu gehen, die ihm schadeten, hat jetzt nach langer Arbeitslosigkeit einen Beruf gefunden, der ihm Spaß macht, wo er allein im Büro sitzen darf und  in einer Bibiliothek Akten sortiert - mit großem Eifer und Freude.....wie es keiner von uns Neurotypischen vermag...

 

Ich wünsche mir, dass Autismus anerkannt ist und die "Kühlschrankmütter" endlich vergessen werden, sondern der unermüdliche Einsatz trotz nur kleinster Fortschritte der Eltern anerkannt werden. Schenkt diesen Müttern ein Lächeln und erkundigt Euch bei Ihnen, was Autismus eigentlich bedeutet....

 

Ich wünsche mir, dass Eltern von autistischen Kindern missachtenden Blicken souverän und offensiver entgegentreten...vielleicht sogar, dass sie gleich erwähnen, dass ihr Kind autistisch ist, bevor das Umfeld mit dem Kopfschütteln beginnt. Bei mir ergaben sich dann immer interessante Gespräche, wo ich informieren und aufklären konnte. Am meisten jedoch rege ich mich innerlich auf, wenn die Menschen auf mich zu kommen und sagen:"Hey- Dein Kind ist autistisch? - Das ist ja cool!!!- Welche Inselbegabung hat es denn? kann es schon Englisch oder hat es eher mit 3 Jahren die Primzahlen entdeckt????"

- Schlimmstenfalls kommt noch der Nachsatz- kurz bevor ich antworte...: "Ach, ich wünschte mein Sohn hätte das auch, dann müsste ich mich nicht so mit der Schule rumärgern..."

Ich sage mir dann immer innerlich: Bleib ruhig Dagmar, woher sollen die armen Leute wissen, was Autismus wirklich bedeutet - es spricht doch kaum jemand öffentlich darüber und wenn, dann sieht man im Fernsehen doch nur Berichte über Savants.... Und dann hole ich tief Luft und beginne zu erzählen....

 

Der Bericht in der Zeitung war im Nachhinein grandios....Ihr glaubt gar nicht, welche Resonanz ich danach hatte. Ich bekam Massen von Anrufen, wo uns andere Betroffene mit ihrem Rat unterstützen wollten- andere schrieben
uns Briefe oder Mails und machten uns Mut, dankten uns sogar für unsere Offenheit.

 

Die Krönung war ein älteres Ehepaar. Sie riefen mich an und entschuldigten sich pauschal - sie selber würden oft schräg schauen, wenn ein Kind sich komisch benähme, ohne zu hinterfragen, ob vielleicht etwas nicht mit ihm OK sei. Sie sagten, sie würden sich nun tatsächlich schämen für ihre Intoleranz und Beschränktheit erst gar nicht hinter die Fassade zu schauen, sie würden in Zukunft versuchen anders mit solchen Kindern bzw Eltern umzugehen und dankten mir für meine Aufklärung und offenen Worte....Ich war ganz sprachlos....

 

Viele aber schrieben mich auch an und fragten: "Wie machst Du das?"- "Woher nimmst Du Deinen Optimismus- Deine Energie- erst recht, wo Du auch noch 4 weitere Kinder hast und einen Job?" oder andere fragten mich, wie ich mit Mia umgehe, wie ich sie fördere....

 

Eines sei dazu gesagt: Ich habe manchmal auch mit dem Optimismus zu kämpfen, der sich hinter Sorgen verstercken möchte und auch ich habe regelmäßig mal keine Energie mehr- manchmal bin ich sogar richtig down....aber die Energie kommt immer wieder zurück, weil ich mir eingestehe, dass ich mich nicht total verausgaben darf.... Mein Mann sagt immer: "Die Länge trägt die Last" und so ist es auch...gepaart mit einer wunderbaren Familie, deren Motto ist:" Einer für alle- alle für einen!"-ist das andere Geheimnis. Wir sind ein Team und ein Team ist immer nur so stark, wie sein schwächstes Mitglied. Ist also jemand schwach, wird er von den anderen getragen... Wir sind ja nun mal genug Personen...so eine Großfamilie hat so seine Vorteile....-man ist niemals ganz allein!- Das ist das ganze Geheimnis ;-)

 

Natürlich hatte ich auch selber Vorteile dadurch. Hunderte gingen auf meine homepage und viele - besonders pädagogische Einrichtungen- bestellten mein Buch.... Es ist so großartig, wie so ein Artikel zur Information und Interesse an Autismus beigetragen hat..... und hier werde ich weiter ansetzen. Ich kann nur jedem Betroffenen raten, sich mal mit der örtlichen Presse zusammen zu setzen...wenigsten zum Welt-Autismustag. (nächster ist am 2.4.2016)

 

Ach und übrigens, nicht einer meinte danach, ich sei mediengeil oder fanden es unmöglich mit diesem Thema an die Öffentlichkeit zu gehen.... ;-) ( Hatte mir tatsächlich auch zuvor etwas Sorgen darüber gemacht...)

 

Die Resonanz wird Euch Mut machen und Stärken - Wir haben es nicht bereut!

 

Wie auch immer! Seid mutig und offen - und die Welt wird sich für Euch öffnen....

 

 

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Kommentare: 1
  • #1

    Iris (Montag, 03 April 2017 16:15)

    Hallo Dagmar , ich kann deinen Frust sehr gut nachempfinden, unser Christiano ist jetzt 13 und auch Autist. Bei uns kamen oft die Kommentare ob die Ärzte auch sicher wären ob Christiano Autist ist, er sähe doch ganz normal aus , hat er sich nicht " benommen" war er schlecht erzogen.Der Kampf wird nicht weniger eher mehr und jaaa man ist oft müde, ausgelaug, verzweifelt und man hat dann gar keine Lust auf Plätzchen backen, nein lieber würde man mal gerne abschalten. Aber Halt der Ehemann macht zur Zeit wahnsinnige Überstunden, der ältere Sohn ist in der Pubertät und die Oma ist die Treppe runtergefallen, ach ja man selber ist in den Wechseljahren. Doch dann kommt mein" kleines Autistenkind " ( er ist größer als ich) und sagt das er mich lieb hat , denn Autisten sind sehr empfindsam nur auf ihre eigne Art. Das rettet mir dann wieder meinen Tag�